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Ungleichbehandlung fordern deutsche Unternehmen in China heraus

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Die Deutsche Handelskammer in China in Kooperation mit der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft haben am 18. Januar 2022 die Ergebnisse der jährlichen Geschäftsklima-Umfrage „Business Confidence Survey“ vorgestellt. Die Resultate zeigen: Das Vertrauen in den Wachstumsmarkt China besteht fort. Die Vorzugsbehandlung heimischer Wettbewerber vor dem Hintergrund einer politischen Fokussierung der chinesischen Wirtschaft auf sich selbst, ist zur größten Herausforderung aufgestiegen. Als Reaktion auf die Anforderung des Marktes, zunehmende Entkopplungstendenzen sowie weiter anhaltende Reiserestriktionen lokalisieren deutsche Unternehmen zunehmend in China.

„Die deutschen Unternehmen in China schauen recht optimistisch ins neue Jahr, ihr Engagement im Markt bleibt unerschüttert. Jedoch scheinen wirtschaftspolitische Tendenzen zur „Self-Reliance“ Spuren hinterlassen zu haben: Fehlende Gleichbehandlung ist zur größten regulatorischen Herausforderung für die deutsche Wirtschaft in China geworden“, erläutert Clas Neumann, Präsident der Deutschen Handelskammer in China – Shanghai. Damit steigt diese Herausforderung im Ranking der Studie von Platz 6 auf Platz 1 im Vergleich zum Vorjahr. Laut Umfrage berichten ein Drittel (34%) der deutschen Unternehmen von einer Bevorzugung lokaler Unternehmen, vor allem in den Bereichen Marktzugang, öffentliches Beschaffungswesen und regulatorisches Umfeld. 42 % der Unternehmen, die sich an öffentlichen Beschaffungsverfahren beteiligen, waren von der Bevorzugung chinesischer Wettbewerber betroffen. Diese Firmen berichten u.a. von fehlender Transparenz, „buy-local“-Praktiken und einer Vorzugsbehandlung für Staatsunternehmen. „Für ein zukunftsfestes Engagement im chinesischen Markt benötigt die deutsche Wirtschaft in China ein Zeichen, dass Gleichberechtigung Teil des Wirtschaftssystems ist. Auch das Hinarbeiten auf die Zeichnung des Übereinkommens über das öffentliche Beschaffungswesen der Welthandelsorganisation wäre ein wichtiger Schritt“, so Neumann weiter.

Des Weiteren gehören Reiserestriktionen zu den größten operativen Herausforderungen (42%) für deutsche Unternehmen in China. Die strengen Einreisebestimmungen stellen für deutsche Unternehmen eine kaum zumutbare Hürde im Geschäft mit China dar. Sie beeinträchtigen laut Umfrage das gegenseitige Verständnis (72 %), verhindern ausländische Investitionen (56 %) und letztendlich auch das Wachstum des Landes (45 %).

Deutschen Unternehmen in China blicken positiv auf das laufende Jahr: 2021 konnten fast 60% der Unternehmen in China bessere Geschäfte verzeichnen und für 2022 erwarten über die Hälfte der Unternehmen eine Verbesserung der Entwicklung in ihrer Industrie in China. „Der chinesische Markt bleibt für deutsche Unternehmen einer der wichtigsten globalen Märkte: 71% der Unternehmen wollen ihre Investitionen dort steigern. Nur 4% denken überhaupt darüber nach, das Land zu verlassen. Es zeichnet sich jedoch ein neuer Realismus hinsichtlich der Geschäftschancen in China ab. Dieser löst den bisherigen Enthusiasmus ab“, sagt Andreas Glunz, Bereichsvorstand International Business der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. So sehen nur noch 51% der Unternehmen das Wachstum des Binnenkonsums als die größte Chance für ihr Geschäft in China. Im Vorjahr glaubten das noch 73% der Unternehmen.

Nichtsdestotrotz planen nahezu unverändert viele befragten Firmen wie im Vorjahr weitere Investitionen in China. Der Schwerpunkt liegt dabei auf neuen Produktionsanlagen (49%), dem Ausbau von Forschung und Entwicklung (47%) sowie die Automatisierung und Weiterentwicklung von Produktionsprozessen (37%). Unternehmen, die mit Dekarbonisierungstechnologien, -produkten und -dienstleistungen im Markt aktiv sind, könnten besonders von Chinas ambitionierten Plänen profitieren: Rund die Hälfte (49%) der Befragten betrachten Chinas Ziel, bis 2060 klimaneutral zu sein, als Geschäftsmöglichkeit.

Die Lokalisierung der Geschäftstätigkeit deutscher Unternehmen in China hat sich in den letzten zehn Jahren beschleunigt. Die erste Welle der Lokalisierung wurde hauptsächlich durch regulatorische Zwänge vorangetrieben – wie die Verpflichtung, ein Joint Venture mit einem chinesischen Partner zu gründen. Die zweite Welle – die „Lokalisierung 2.0“ – wird jedoch vielmehr durch verändertes Kundenverhalten, Markterwartungen, Innovationsgeschwindigkeit und generelle Entkopplungstendenzen forciert. Deutsche Unternehmen in China steuern dem durch eine zunehmende Zusammenarbeit mit lokalen Partnern sowie der Lokalisierung der Beschaffung und der Forschung & Entwicklung entgegen. Die anhaltenden Reisebeschränkungen beschleunigen zudem die Lokalisierung: Rund ein Drittel (33%) der deutschen Unternehmen lokalisieren technisches und betriebliches Know-how in China.

Vor dem Hintergrund der genannten Entwicklungen, Chancen und Herausforderungen postuliert die deutsche Wirtschaft in China im Rahmen der Umfrage ihre Erwartungen an eine China-Strategie der neuen deutschen Bundesregierung: „Aus Sicht der deutschen Unternehmen sollte sich die neue Bundesregierung weiterhin für eine Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen und eine Lockerung der Reisebeschränkungen einsetzen. Gleichzeitig sollte sie den Dialog fortsetzen und eine Justierung der deutsch-chinesischen Wirtschaftskooperation in verschiedenen Bereichen anstreben“, fasst Neumann zusammen.

Über die Studie
Zwischen dem 14. Oktober und 3. November 2021 haben insgesamt 596 Mitgliedsunternehmen der Deutschen Handelskammer in China an der jährlichen Geschäftsklima-Umfrage teilgenommen. Mehr Informationen zu den aktuellen Ergebnissen sowie Resultate aus den vergangenen Befragungen finden Sie hier.
Quelle: KPMG AG / Bild: Pixabay