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Turbulente Zeiten in Portugal trotz stabiler Wirtschaft

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Die geplanten Neuwahlen in Portugal am 10. März 2024 setzen einen Schlusspunkt unter fünf turbulente Monate. Nach dem Rücktritt von Premierminister António Costa im November 2023 war die sozialistische Alleinregierung nur noch geschäftsführend im Amt. Nach acht Jahren sozialistischer Regierung prognostizieren die letzten Umfragen eine relative Mehrheit der bürgerlichen Aliança Democrática. Der Erfolg der Rechtsaußen-Partei Chega, die drittstärkste Kraft werden dürfte, könnte die Regierungsbildung jedoch erschweren.

Aufgrund des politischen Stillstands blieben einige ungelöste wirtschaftliche Fragen bisher offen: „Der Bau eines neuen Flughafens in Lissabon und eine mögliche Privatisierung der staatlichen Fluglinie TAP werden nun die nächste Regierung beschäftigen. Das gilt auch für die Umsetzung mehrerer großer Energieprojekte, den Bau eines Großrechenzentrum sowie den Lithiumbergbau in Nordportugal,“ sagt Oliver Idem von Germany Trade & Invest (GTAI) in Madrid. „In den letzten Jahren hat auch die wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit mit dem Nachbarland Spanien zugenommen. Gemeinsame Vorhaben in der Verkehrsinfrastruktur, beim Pipelinenetz für Wasserstoff sowie des Satellitenprogramms versprechen Vorteile für beide Seiten.“

Die Wirtschaftsleistung Portugals soll laut neuesten Zahlen der EU-Kommission 2024 um real 1,2 und 2025 um real 1,8 Prozent zunehmen. Damit würde die Wirtschaft stärker wachsen als der Durchschnitt der Eurozone und der gesamten EU. Auch die Bilanz der vergangenen Jahre kann sich sehen lassen. Die Coronakrise und die Folgen des Ukrainekriegs konnten schnell überwunden werden. Das Bruttoinlandsprodukt wuchs 2022 mit real 6,8 Prozent so stark wie seit 35 Jahren nicht mehr. „Die Arbeitslosigkeit ist stabil niedrig. Internationale Gäste strömen in Rekordzahl ins Land und die ausländischen Direktinvestitionen legen zu. Portugal ist außerdem in der EU als konstruktiver und verlässlicher Partner bekannt, dem viel Wertschätzung entgegengebracht wird“, so Idem.

Dennoch herrscht laut Idem nicht nur gute Stimmung im Land: „Bei manchen Menschen kommt von der positiven wirtschaftlichen Entwicklung seit 2021 kaum etwas an. Mittlerweile ist die Inflation zwar deutlich zurückgegangen, aber das Preisniveau nach wie vor hoch. Bei einem durchschnittlichen Jahresbruttoeinkommen von knapp 22.000 Euro beziehungsweise knapp 11.500 Euro Mindestlohn haben viele Portugiesen Schwierigkeiten, über die Runden zu kommen.“ Eng damit verbunden sei auch der Mangel an bezahlbarem Wohnraum insbesondere in Lissabon und Porto.

Vor der Wahl am 10. März 2024 mischen sich somit eine auf dem Papier gute Wirtschaftsbilanz der sozialistischen Alleinregierung, politische Unstetigkeit und eine teils zunehmende Unzufriedenheit in der Bevölkerung. Extreme inhaltliche Umwälzungen sind nach der Wahl aber nicht zu erwarten.

Deutschland ist ebenfalls ein wichtiger Wirtschaftspartner und der zweitwichtigste Beschaffungsmarkt für Portugal. Zugleich stellt Deutschland den drittwichtigsten Exportmarkt für portugiesische Waren dar. In den letzten Jahren gewann Portugal als Beschaffungsmarkt an Bedeutung für deutsche Unternehmen, zum Beispiel für Präzisionsteile aus Metall, Kunststoff und Gummi. Deutsche Unternehmen haben außerdem bis 2022 insgesamt 4,6 Milliarden Euro in Portugal investiert. Die größte ausländische Direktinvestition ist das VW-Werk in Palmela, das für den Bau eines neuen Hybridmodells umgerüstet wird. Bosch erweitert für 100 Millionen Euro seine Wärmepumpenfabrik in Aveiro. Zudem erweitern die Einzelhandelsketten Aldi und Lidl ihre Filialnetze in Portugal.

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Quelle: Germany Trade & Invest / Bild: Pixabay