Dank der Fußball-WM sind derzeit alle Augen auf Russland gerichtet. Auch auf dem Business-Spielfeld rückt das größte Land der Welt weiter in den Fokus. Derzeit sind die deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen wieder im Aufwind. Dies ist das Ergebnis der aktuellen Umfrage des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft und der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer.
Demnach plant jedes dritte der 141 befragten Unternehmen den Ausbau seines Russland-Engagements. Doch in der interkulturellen Zusammenarbeit ist es wie beim Fußball – für gute Resultate lohnt sich regelmäßiges Training. Worauf es in der deutsch-russischen Zusammenarbeit ankommt, zeigt dieser Gastbeitrag im BDAE Journal Leben und Arbeiten im Ausland.
1. Vitamin B ist alles
Persönliche Beziehungen sind in Russland das A und O, auch im Geschäftsleben. Deren Aufbau und Pflege braucht viel Zeit und Flexibilität. Verschlossene Gesichter zu Beginn einer Geschäftsbeziehung zeugen in Russland von Seriosität und sollten am Anfang nicht überbewertet werden – das Lächeln ist guten Geschäftspartnern, Freunden und der Familie vorbehalten. Begegnen Sie russischen Partnern mit Offenheit und erzählen Sie auch aus Ihrem persönlichen Leben. Nur so fördern Sie das Vertrauen auf beruflicher Ebene und machen den ersten Schritt hin zu einer stabilen Geschäftsbeziehung.
2. Verspätungen sind normal
In der russischen Kultur ist Geduld eine Tugend, nicht Pünktlichkeit. Planen Sie für Treffen viel Zeit ein und bringen Sie Gelassenheit mit. Seien Sie auf jeden Fall pünktlich, doch wundern Sie sich nicht, wenn Ihre russischen Geschäftspartner es nicht sind – Verspätungen sind üblich. Machen Sie Termine maximal ein bis zwei Wochen im Voraus, und lassen Sie diese am Vortag telefonisch noch einmal rückbestätigen.
3. Gut vernetzt sein
In Russland arbeiten Mitarbeiter für ihr Unternehmen mit starkem persönlichem Bezug. Bei Personalbesetzung oder Lieferantensuche spielt das Netzwerk eine bedeutende Rolle. Unterschätzen Sie daher nicht persönliche Empfehlungen von vertrauenswürdigen russischen Kollegen. Die richtige Besetzung einer Aufgabe muss nicht immer Experte in dem betreffenden Gebiet sein, wohl aber gut vernetzt.
4. Informationen richtig nutzen
Auch im Umgang mit Informationen punktet das Netzwerk. Dokumentationen in schriftlicher, gut strukturierter Form sind in Russland nicht immer zu erwarten. Events, Versammlungen oder persönliche Gespräche sind effizienter als Mitarbeiterzeitungen, Rundschreiben oder Aushänge. Üblich ist das ‚protokol‘ am Ende jeder Verhandlung, eine Auflistung besprochener Themen. Wichtig sind zudem Verträge – durch erfahrene Juristen geprüft und mit Stempel und Siegel versehen.
5. Den Subtext verstehen
Eine große Herausforderung für Deutsche ist es, indirektes Feedback in russischen Äußerungen ausfindig zu machen. Entscheidend ist nicht nur, was gesagt wird, sondern vor allem wie, unter welchen Umständen, in wessen An- oder Abwesenheit. Russen vermeiden direkte Konfrontation. Öffentliche Kritik, vor allem an Höhergestellten, ist unerwünscht und wird persönlich genommen. Verpacken Sie Kritik als freundliche persönliche Empfehlung. Indirekte Andeutungen reichen vollkommen, da der Kontext dem Gegenüber bekannt ist.
6. Emotionen inbegriffen
Russen neigen zu einer gewissen Theatralik und Übertreibung. Verhandlungen erscheinen unstrukturiert, zu wortreich und wenig faktenorientiert, vereinen Geschäftliches wie Privates. Rasche Verhandlungsergebnisse sind eher selten. Beginnen Sie hier mit einfachen Vorschlägen und entwickeln Sie später, aber nicht zu spät, komplexere Zusammenhänge. Kurzfristige Änderungen sollten Sie besser vor einer Verhandlung mitteilen; denn russische Verhandlungspartner mögen keine Überraschungen.
7. Kompromisse müssen sein
Beachten Sie: Kompromisse gelten als Zeichen von Schwäche. Deshalb wird Ihr russischer Partner solche Situationen „aussitzen“ und auf mangelnde Zeit und Geduld des Gegners setzen. Nur mit großer Bestimmtheit Ihrerseits können Sie diese „Mauer“ durchbrechen. Seien Sie sich daher jeder Ihrer Aussagen und deren möglichen Konsequenzen bewusst. Wichtig zu wissen: Eine Zusage von russischer Seite erwartet in der Regel auch ein Entgegenkommen von Ihnen.
8. Viele Wege führen nach Moskau
Russen sind stolz auf schnelle und effektive Lösungen in letzter Minute mit den vorhandenen, nicht immer perfekten Mitteln. Improvisation gilt als Tugend. Deutschen fehlt bei dieser Vorgehensweise oft die langfristige Planung – aus russischer Sicht dauert dagegen bei aller deutschen Sorgfalt und Weitsicht die Lösungsfindung zu lange. Um Widerstände zu vermeiden gilt: Übertragen Sie keinesfalls die deutsche Business-Kultur eins zu eins etwa auf russische Tochterunternehmen, denn sehr unbeliebt ist „deutsches Oberlehrergehabe“.
9. Der Chef ist Chef
Russische Mitarbeiter identifizieren sich in hohem Maß mit der Führung ihres Unternehmens. Eine Führungsautorität muss in deren Augen ein entsprechendes Image als „Machtträger“ pflegen. Statussymbole und Privilegien sind deshalb sichtbar und legitim. Ein Vorgesetzter ist immer Herr der Lage sein, gibt keine Fehler zu und trifft Entscheidungen zentralistisch. Mitarbeiter erwarten von ihm eine regelmäßige Kontrolle delegierter Aufgaben. Denn der Chef weiß alles und kann alles. Für ihn gilt: Distanz halten… und auf keinen Fall selber Kaffee holen oder kopieren.
10. Kaum Spontanität
Da russische Mitarbeiter oft auch ihre Regierung oder regionale Autoritäten repräsentieren und deren Erlaubnis von „oben“ benötigen, sind sie in der Regel weniger flexibel und offen für spontane Entscheidungen. Verhandlungspartner sind häufig Gruppen, die sehr diszipliniert und mit einer Stimme auftreten. Wer offen abweicht, gilt als illoyal oder destruktiv. Achten Sie auch auf deutscher Seite auf eine einheitliche Argumentation und die klare Definition eines Meinungsführers; ihrem russischen Verhandlungspartnern bleibt sonst unklar, wie die Autorität in der Gruppe verteilt ist.
Quelle des Beitrags: Carl-Duisburg-Centren, gesehen im: BDAE Journal Leben und Arbeiten im Ausland
Über die Autorin:
Dr. Aksana Kavalchuk hat russisch-ukrainische Wurzeln und ist interkulturelle Trainerin bei den Carl Duisberg Centren. 1993 kam sie mit einem DAAD-Forschungsstipendium nach Deutschland. Nach der Promotion an der Ludwig-Maximilian-Universität in München am Lehrstuhl für Pädagogische Psychologie arbeitet sie als Trainerin und Beraterin mit den Schwerpunkten interkulturelle Kommunikation und Kooperation.
Seit 25 Jahren begleitet sie namhafte deutsche und internationale Unternehmen bei ihren Russland-Aktivitäten. Ihre eigenen praktischen Berufserfahrungen in vielfältigen gemischt-kulturellen Projekten in Russland, der Ukraine, Georgien, Deutschland, Österreich und Polen fließen in ihre Tätigkeit als Coach und Trainerin ein.
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