Der aus den Arbeits- und Sozialministern der EU bestehende Rat „Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz“ der EU (EPSCO) hat in seiner Sitzung am 11. März 2024 die Richtlinie zur Plattformarbeit beschlossen. Dazu erklärt der Vorsitzende des Verbands der Gründer und Selbstständigen Deutschland (VGSD), Andreas Lutz: „Die Einigung auf diese Version der EU-Richtlinie zur Plattformarbeit ist ein schwarzer Tag für die Selbstständigen in Deutschland.“
Die Einigung wird als Erfolg zum Schutz von Plattformbeschäftigten dargestellt. Tatsächlich wird sich die Regelung in Deutschland nach Einschätzung des VGSD jedoch vor allem verheerend auf Solo-Selbstständige und ihre Auftraggeber auswirken. Mit ihr wird die schon jetzt bedrückende Rechtsunsicherheit bezüglich ihres Status noch weiter zunehmen. Zugleich dürfte der Nutzen für Plattformbeschäftigte wie etwa Fahrradkuriere und Uber-Fahrer gering sein, da diese in Deutschland ganz überwiegend schon jetzt angestellt sind.
Der Plattformbegriff der Richtlinie ist so weit gefasst, dass er hunderttausende Menschen betreffen wird, die sich nicht als Plattformarbeiter sehen, gerne selbstständig sind und dies auch bleiben wollen. Durch den schwammigen Plattformbegriff könnten eine große Zahl von Auftraggebern in Deutschland nämlich allein durch die Nutzung zeitgemäßer Methoden zur Zusammenarbeit mit Selbstständigen unter die Richtlinie fallen.
Durch die Beweislastumkehr müssen Auftraggeber künftig beweisen, dass ihre Auftragnehmer selbstständig sind – ein enormer bürokratischer Aufwand. Die Kriterien dafür werden zudem nicht mehr europaweit einheitlich in der Richtlinie festgelegt – was eines ihrer Hauptziele war, sondern es gelten die Kriterien der Mitgliedstaaten. Doch in Deutschland fehlt es schon seit Jahren an klaren Kriterien für (Schein-)Selbstständigkeit. Nun werden Sanktionen verschärft, ohne dass man sich zuvor auf rechtssichere Kriterien einigen konnte.
„Die EU-Richtlinie zur Plattformarbeit stellt die Selbstständigkeit gerne und freiwillig Selbstständiger in Deutschland in Frage“, sagt VGSD-Vorstand Andreas Lutz. „Schon jetzt gibt es immer mehr Auftraggeber, die keine Aufträge mehr an Solo-Selbstständige in Deutschland vergeben oder sie gegen ihren Willen in deutlich schlechter bezahlte Leiharbeit drängen, weil diese im Vergleich als rechtssicherer erscheint. Für die in der BAGSV organisierten 35 Berufs- und Selbstständigenverbände ist die schon jetzt unerträgliche Rechtsunsicherheit seit langem das drängendste Problem.“ Die neue Richtlinie wird diese für Selbstständige schwierige Lage weiter verschärfen.
Dabei wirft die Begründung der Richtlinie viele Fragen auf. „Von der EU wird in der Öffentlichkeit mit Zahlen operiert, die äußerst fragwürdig sind und einer Überprüfung unseres Erachtens nicht standhalten. Wären sie korrekt, würde es bedeuten, dass zwei von drei Solo-Selbstständigen in Deutschland ihre Selbstständigkeit beenden müssten“, sagt Lutz.
Hintergrund:
Um die Richtlinie wurde mehr als zwei Jahre gerungen. Im Dezember 2021 legte die EU-Kommission den ersten Entwurf vor. Ein Jahr später machte das EU-Parlament einen eigenen Vorschlag. Mit einem Kompromiss-Vorschlag des Rates begannen im Sommer 2023 die Trilog-Verhandlungen zwischen Rat, Kommission und Parlament, die im Dezember 2023 scheiterten. Im Februar 2024 schlug die belgische Ratspräsidentschaft vor, auf einen Kernteil der Richtlinie, die Kriterien für die Scheinselbstständigkeits-Vermutung, zu verzichten und diese den Mitgliedsstaaten zu überlassen.
Dieser Vorschlag scheiterte zunächst, weil Deutschland sich enthielt, Frankreich, Griechenland und Estland dagegen stimmten. Nachdem die beiden kleineren Länder umgestimmt werden konnten, wurde der Kompromiss nun im zweiten Anlauf beschlossen.
Quelle: Verband der Gründer und Selbstständigen Deutschland e.V. / Bild: Pixabay
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