Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat am 28. Juni 2018 über den Antrag der Deutschen Umwelthilfe (DUH) auf Zwangsvollstreckung des rechtskräftigen Urteils vom 19. Juli 2017 zu Diesel-Fahrverboten in der Landeshauptstadt nicht öffentlich verhandelt (AZ:13 K 3813/18). Richter Wolfgang Kern hat in großer Klarheit deutlich gemacht, dass die aktuell durch die Landesregierung geplanten „Mini-Diesel-Fahrverbote“ nicht ausreichend sind, um das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) Leipzig vom 27.2.2018 umzusetzen.
Die von der Landesregierung offensichtlich vorgesehenen pauschalen Ausnahmen von Fahrverboten für alle Stadtbewohner Stuttgarts seien, so das Gericht, mit dem höchstrichterlichen Urteil nach der in der Anhörung mitgeteilten Würdigung des Gerichts unvereinbar. Umso mehr gilt dies für den beabsichtigten Ausschluss von Euro-5-Fahrzeugen von Fahrverboten.
Die Landesregierung hat nun zwei Wochen Zeit, den aktuellen Entwurf des Luftreinhalteplans nachzubessern und dem Gericht mitzuteilen, dass die Diesel-Fahrverbote für das Stuttgarter Stadtgebiet keine generellen Ausnahmen für die Anwohner enthalten und zudem auch Diesel-Fahrzeuge der Abgasstufe Euro 5 umfassen. Für den Fall, dass diese Punkte nicht nachgebessert werden, hat das Gericht deutlich gemacht, das von der DUH beantragte Vollstreckungsverfahren einzuleiten und der Landesregierung ein erstes Zwangsgeld anzudrohen. Dies wäre dann der Beweis dafür, dass die Landesregierung trotz eindeutiger Hinweise des Verwaltungsgerichts nicht gewillt ist, ihren rechtsstaatlichen Verpflichtungen zur Umsetzung von Urteilen nachzukommen.
Rechtsanwalt Remo Klinger, der die DUH in dem Verfahren vertritt: „Niemand kann nach der gestrigen mündlichen Erörterung mehr sagen, man hätte nicht gewusst, was zur Umsetzung des Urteils zu tun ist.“ Das Gericht zeigte sich über die fortgesetzte Verzögerungstaktik bei der Luftreinhaltung massiv verärgert und wies die Landesregierung darauf hin, dass die Behörden für den Schutz aller Menschen da seien, nicht nur für den Schutz der Autofahrer. „Wir werden vielleicht das erste Verwaltungsgericht sein, das über eine Zwangshaft für politische Mandatsträger oder Behördenleiter beschließt“, sagte Richter Kern bei dem gestrigen Erörterungstermin. Das Gericht ordnete zudem Akteneinsicht in alle Protokolle, E-Mails und rechtlichen Bewertungen des Leipziger Urteils durch den Landesanwalt sowie dessen Schriftwechsel mit den zuständigen Behörden an und warnte davor, diese Unterlagen zu verändern oder unvollständig zu übersenden.
„Die geplante Herausnahme gerade der schmutzigsten Diesel der Abgasstufe Euro 5 aus den Fahrverboten zeigt die unveränderte Fernsteuerung dieser Landesregierung aus den Konzernzentralen der Autohersteller. Warum kämpft das grün-schwarze Landeskabinett so verbissen gegen wirksame Maßnahmen für die Saubere Luft in Stuttgart an?“, so Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH.
DUH beantragt wegen der offensichtlichen Fernsteuerung der Landesregierung Akteneinsicht über alle Kontakte des Staatsministeriums beziehungsweise des Verkehrsministeriums zur Automobilindustrie seit dem Urteil des BVerwG in Leipzig vom 27.2.2017.
Die internationale Umweltrechtsorganisation ClientEarth hatte das Revisionsverfahren am Bundesverwaltungsgericht Leipzig unterstützt. Ugo Taddei, Rechtsanwalt von ClientEarth sagt: „Baden-Württemberg zeigt trotz einer Vielzahl von Verwaltungsgerichtsverfahren und einer eindeutigen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts einen beeindruckenden Widerwillen, gegen die illegale Luftverschmutzung vorzugehen. Die Landesregierung ignoriert die Menschen, deren Gesundheit Tag für Tag durch das Dieselabgasgift gefährdet ist. Das Gericht hat nun ein klares Ultimatum gestellt: Die Behörden müssen alles Notwendige tun, um die Luftverschmutzung zu bekämpfen, oder es wird Sanktionen geben.“
Hintergrund:
Das BVerwG hat am 27. Februar 2018 entschieden, dass zonen- und streckenbezogene Diesel-Fahrverbote zulässig sind, um die Luftschadstoffwerte für Stickstoffdioxid (NO2) einzuhalten. Ebenso hat es festgestellt, dass nach den tatsächlichen Feststellungen des verwaltungsgerichtlichen Urteils in Stuttgart keine andere Maßnahme zur Hand ist, mit der der Grenzwert ebenso schnell eingehalten werden kann wie mit den zulässigen Fahrverboten.
Am 26. März 2018 hat die DUH den Antrag auf Zwangsvollstreckung gegen das Land Baden-Württemberg gestellt. Ziel ist die Umsetzung des von der DUH erstrittenen Urteils für „Saubere Luft“ des Verwaltungsgerichts Stuttgarts vom 19. Juli 2017, das nunmehr durch die Entscheidung des BVerwG rechtskräftig ist.
Die DUH hatte am 17. November 2015 Klage beim Verwaltungsgericht Stuttgart eingereicht. Am 19. Juli 2017 hat das VG Stuttgart der Klage der DUH stattgegeben und den vorliegenden Entwurf des Luftreinhalteplans für unwirksam erklärt.
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