Großbritannien steht offenbar vor einem Regierungswechsel. Laut Umfragen liegt die oppositionelle Labour-Partei deutlich in der Wählergunst vorn, die bisher regierenden konservativen Tories unter Premierminister Rishi Sunak stehen offenbar vor dem Aus.
„Eine möglichen Regierung unter Labour-Chef Keir Starmer wird wohl eine Annäherung an die EU vorantreiben, allerdings nicht mit dem Ziel, wieder deren Mitglied oder Teil einer Zollunion zu werden. Vielmehr soll sich die britische Regulierung wieder am europäischen Regulierungsrahmen orientieren, wie konkret für chemische Erzeugnisse. Britische Wirtschaftsverbände begrüßen diese Pläne zur Annäherung, doch auch die EU müsste mitspielen“, sagt Marc Lehnfeld von Germany Trade & Invest in London. Dabei kommt beiden Seiten der geplante Review des Handels- und Kooperationsabkommens im Jahr 2026 zugute.
Wichtig aus Sicht deutscher Firmen sei zum Beispiel, die Fachkräftemobilität – unter anderem die Entsendung von Mitarbeitern in das Vereinigte Königreich oder die Dienstleistungserbringung im Rahmen von Aufträgen – zu erleichtern. Eine Verbesserung sei hier allerdings nicht in Sicht.
Trotzdem ist in diesem Jahr die Stimmung bei den deutschen Unternehmen besser als im Jahr 2023. Aus einer Umfrage der Deutsch-Britischen Handelskammer von Anfang Mai 2024 geht hervor, dass 56 Prozent der befragten Firmen positiv aus das laufende Jahr blicken – im November 2023 waren es 45 Prozent.
„Auch die Investitionsbereitschaft ist gestiegen. Die Projektdatenbank von fDi Markets registriert im 1. Quartal 2024 bereits rund 30 Investitionsbekanntmachungen deutscher Firmen. Dabei erweitern sie ihre Hauptsitze, bauen ihre Produktion aus und optimieren ihre Logistik. Die Unternehmen stärken damit vor allem ihre Präsenz im Absatzmarkt, auch um sich gegenüber der Zollgrenze und Lieferkettenverzögerungen abzusichern. Investitionen, die das Königreich in der internationalen Wertschöpfungskette integriere, sind weniger sichtbar.“ so Marc Lehnfeld. Fast die Hälfte der Maßnahmen fänden im Lebensmittelsektor sowie bei erneuerbaren Energien statt. Dazu gehören zum Beispiel der Expansionskurs der deutschen Discounter Lidl und Aldi, aber auch die Investitionen deutscher Energiekonzerne. So plant beispielweise RWE nicht nur eine Investitionsoffensive in sieben neue Solarparks mit einer Erzeugungskapazität von 330 Megawatt, sondern baut im schottischen Chemiepark Grangemouth bis 2029 einen Elektrolyseur mit einer Leistung von 200 Megawatt.
„Mit ihrer deutsch-britischen Energiepartnerschaft setzen beide Länder auf eine Kooperation in ihren Kernkompetenzen“, sagt Marc Lehnfeld. „Vom Ausbau der britischen Offshore-Windindustrie auf 50 Gigawatt – bzw. 60 Gigawatt unter einer Labour-geführten Regierung – und den parallelen Hochlauf einer Wasserstoffwirtschaft mit einer Erzeugungskapazität von 10 Gigawatt profitieren auch deutsche Unternehmen, vor Ort und entlang der Wertschöpfungskette. Von einem möglichen britischen Wasserstoffexport würde auch die deutsche Industrie profitieren.“
Weitere Informationen zur Wahl in Großbritannien und zur Wirtschaft insgesamt finden Sie unter Wirtschaft im Vereinigten Königreich im GTAI-Angebot.
Quelle: Germany Trade & Invest / Bild: Pixabay
Anzeige: Individuelle Gruppenreisen planen, organisieren und durchführen