Zum Streit kam es wegen einer Flugverbindung von einem Mitgliedstaat in einen Drittstaat mit Umsteigen in einem anderen Drittstaat, die Gegenstand einer einzigen Buchung war. Das EuGH wurde angerufen und hat nun in der Sache geurteilt: Das Luftfahrt unternehmen, das den ersten Teilflug durchgeführt hat, ist verpflichtet, den Fluggästen einen Ausgleich zu leisten, wenn es bei der Ankunft des zweiten Teilflugs, der von einem Luftfahrtunternehmen von außerhalb der Gemeinschaft durchgeführt wurde, zu einer großen Verspätung gekommen ist.
Worum ging es?
Elf Fluggäste nahmen bei dem tschechischen Luftfahrtunternehmen České aerolinie eine einheitliche Buchung für einen Flug von Prag (Tschechische Republik) über Abu Dhabi (Vereinigte Arabische Emirate) nach Bangkok (Thailand) vor. Der erste Teilflug dieses Fluges mit Umsteigen, der von České aerolinie durchgeführt wurde und von Prag nach Abu Dhabi ging, wurde entsprechend dem Flugplan durchgeführt und kam pünktlich in Abu Dhabi an.
Dagegen war der zweite Teilflug, der im Rahmen einer Codesharing-Vereinbarung von Etihad Airways, einem Luftfahrtunternehmen von außerhalb der Gemeinschaft, durchgeführt wurde und von Abu Dhabi nach Bangkok ging, bei der Ankunft um 488 Minuten verspätet. Diese Verspätung von mehr als drei Stunden kann nach der Verordnung über Fluggastrechte (1) dazu führen, dass Fluggästen ein Anspruch auf einen Ausgleich zusteht.
Die Fluggäste erhoben bei den tschechischen Gerichten Klage gegen České aerolinie auf Leistung des in der Verordnung über Fluggastrechte vorgesehenen Ausgleichs.
České aerolinie stellt vor diesen Gerichten allerdings die Begründetheit der Klagen mit der Argumentation in Abrede, dass sie für die Verspätung des Fluges von Abu Dhabi nach Bangkok nicht in Haftung genommen werden könne, da dieser Flug von einem anderen Luftfahrtunternehmen durchgeführt worden sei.
Der mit dem Rechtsstreit in zweiter Instanz befasste Městský soud v Praze (Stadtgericht Prag, Tschechische Republik) möchte vom Gerichtshof wissen, ob České aerolinie zur Zahlung des Ausgleichs nach der Verordnung über Fluggastrechte verpflichtet ist.
In seinem Urteil vom 11. Juni 2019 weist der Gerichtshof zunächst darauf hin, dass ein Flug mit ein – oder mehrmaligem Umsteigen, der Gegenstand einer einzigen Buchung war, für die Zwecke des in der Verordnung vorgesehenen Ausgleichs eine Gesamtheit darstellt (2).
Damit fällt ein Flug mit Umsteigen, dessen erster Teilflug im Gebiet eines Mitgliedstaats, hier Prag, startet, in den Anwendungsbereich der Verordnung, auch wenn sein zweiter Teilflug mit Abflug- und Zielort in einem Drittstaat außerhalb der Europäischen Union von einem Luftfahrtunternehmen von außerhalb der Gemeinschaft durchgeführt wurde.
Zu der Frage, ob České aerolinie, das Luftfahrtunternehmen, das den ersten Teilflug des Fluges mit Umsteigen durchgeführt hat, zur Zahlung des Ausgleichs verpflichtet werden kann, der aufgrund der großen Verspätung bei der Ankunft des zweiten, von Etihad Airways durchgeführten Teilflugs geschuldet ist, stellt der Gerichtshof fest, dass nach der Verordnung für Fluggastrechte die Verpflichtung zur Leistung des Ausgleichs an die Fluggäste ausschließlich auf dem ausführenden Luftfahrtunternehmen des betroffenen Fluges lastet. Hierzu weist der Gerichtshof darauf hin, dass für die Einstufung eines Luftfahrtunternehmens als ausführendes Luftfahrtunternehmen u.a. dargelegt werden muss, dass dieses Unternehmen den fraglichen Flug tatsächlich durchgeführt hat. Da České aerolinie im Rahmen eines mit den betroffenen Fluggästen geschlossenen Beförderungsvertrags tatsächlich einen Flug durchgeführt hat, kann sie als ausführendes Luftfahrtunternehmen eingestuft werden.
Der Gerichtshof kommt folglich zu dem Ergebnis, dass České aerolinie unter den Umständen der vorliegenden Rechtssache grundsätzlich für den in der Verordnung vorgesehenen Ausgleich wegen der großen Verspätung bei der Ankunft des Fluges mit Umsteigen nach Bangkok haftet, obwohl die große Verspätung auf dem Flug von Abu Dhabi nach Bangkok entstanden und Etihad Airways zuzurechnen ist. In diesem Sinne unterstreicht der Gerichtshof insbesondere, dass sich ein ausführendes Luftfahrtunternehmen, das den ersten Teilflug eines Fluges mit ein – oder mehrmaligem Umsteigen durchgeführt hat, der Gegenstand einer einzigen Buchung war, nicht auf die mangelhafte Durchführung eines späteren, von einem anderen Luftfahrtunternehmen durchgeführten Teilflugs zurückziehen kann.
Schließlich weist der Gerichtshof darauf hin, dass die Verordnung über Fluggastrechte einem ausführenden Luftfahrtunternehmen, das wegen großer Verspätung eines Fluges mit Umsteigen, der Gegenstand einer einzigen Buchung war und im Rahmen einer Codesharing-Vereinbarung zum Teil von einem anderen Luftfahrtunternehmen durchgeführt wurde, Fluggästen einen Ausgleich leisten musste, das Recht vorbehält, gegen dieses andere Unternehmen vorzugehen, um Ersatz für diese finanzielle Belastung zu erhalten.
(1) Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr.295/91 (ABl.2004,L46,S.1).
(2) Urteil des Gerichtshofs vom 31.Mai 2018, Wegener (C-537/17)
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union
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