Die Liste ist lang: Solarpanels, Smartphones, Antibiotika und vieles mehr kommt aus China. Deutschland und China sind wichtige Handelspartner und aufeinander angewiesen, Deutschland mehr auf China als China auf Deutschland. Chinas Null-Covid-Politik und die jüngsten geopolitischen Entwicklungen haben gezeigt, dass globale Lieferketten sehr schnell instabil werden können. Wie reagieren deutsche Unternehmen, die in China aktiv sind, auf diese aktuellen Entwicklungen? Welche strategischen Ziele verfolgen sie und wie schätzen sie die Risiken ab? Mit der Studie „Das neue China-Geschäft deutscher Unternehmen: Realistisch. Pragmatisch. Risikobewusst.“ hat PricewaterhouseCoopers (PwC Deutschland) ein Stimmungsbild mit einer Umfrage von 180 deutschen Unternehmen aus sechs verschiedenen Branchen erhoben.
Fazit: In China aktive deutsche Unternehmen zeigen nicht nur Realismus bei der Einschätzung der aktuellen Lage, sondern auch eine pragmatische Einschätzung der eigenen Unternehmensstärken – und Schwächen. Im Umgang mit China als Wirtschaftspartner wächst das Bewusstsein für die Notwendigkeit eines Risikomanagements im eigenen Unternehmen.
China bleibt vorerst ein unerlässlicher Wirtschaftspartner
Realismus: 88 Prozent sehen China auch in Zukunft als unerlässlichen Rohstofflieferanten. In puncto Beschaffung erwarten 57 Prozent eine verstärkte Regionalisierung nah am Einsatzort. Gleichwohl geht die Mehrheit der befragten Unternehmen (53 Prozent) für die kommenden drei Jahre von einer steigenden Bedeutung Chinas als Absatzmarkt für ihre Branche aus.
Thomas Heck, Leiter der PwC China Business Group Deutschland/Europa, erläutert: „Vorbei ist die Zeit, in der internationale Unternehmen in China leicht und schnell Geld verdienten, indem sie von großen Wachstumssprüngen bei günstigen Produktionskosten und einer exzellenten Infrastruktur profitierten. Das Wachstum in China stößt an seine Grenzen, ausländische Unternehmen kämpfen mit chinesischen Wettbewerbern um Marktanteile. Damit dürfte sich China für viele ausländische Unternehmen zu einem normalen Auslandsmarkt entwickeln. Eine Phase der Anpassung hat damit für beide Seiten begonnen.“
Deutsche Unternehmen stehen zum Standort China – Exodus bleibt aus
Pragmatismus: Die überwiegende Mehrheit der Befragten will ihr Engagement auf dem chinesischen Markt auch in Zukunft fortführen. Lediglich eine sehr kleine Minderheit (1 Prozent) plant einen Abzug oder Teilabzüge (6 Prozent). Zwei Drittel (67 Prozent) erwarten in den nächsten drei Jahren keine Verschiebung von Umsatzanteilen deutscher Unternehmen in andere Länder.
Von Regulierung über Geopolitik: Die Liste der Herausforderungen ist lang
Zwei Drittel der Befragten (65 Prozent) nehmen die Regulierungen der Bundesregierung als Einschränkung in ihr Engagement in China wahr. Fast ebenso viele (63 Prozent) sind der Meinung, dass geopolitische Konflikte Projekte wie die „Belt and Road Initiative (BRI)“ in Frage stellen. Die europäische „Global Gateway Initiative“, betrachtet bisher nur ein Drittel der befragten Firmen als attraktives Angebot. Ein weiteres Hindernis für Unternehmen sieht die Mehrheit der Befragten (56 Prozent) in der Anwendung der Standards für Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (ESG).
Nur 29 Prozent agieren mit ausformulierter China-Strategie
„Die Komplexität und Schnelligkeit, mit der sich Rahmenbedingungen ändern können, erschweren das Formulieren einer längerfristigen Strategie für ein China-Engagement. So ist es nicht erstaunlich, dass nur 29 Prozent der deutschen Unternehmen eine ausformulierte China-Strategie besitzen und nur weitere 14 Prozent eine solche planen“, sagt China-Experte Thomas Heck. Dennoch zeigen die Unternehmen ein verschärftes Risikobewusstsein, in dem sie konkrete Maßnahmen zur Sicherung ihrer Geschäftsaktivitäten in China entwickeln.
Heck sieht darin ein weiteres Zeichen für Pragmatismus und Realismus im Umgang mit China: „Die Mehrheit der deutschen Unternehmen besitzt eine fundierte China-Kompetenz, erworben durch ihre langjährigen intensiven wirtschaftlichen Beziehungen. Sie begleiten China seit der Öffnung 1978 mit allen Höhen und Tiefen und haben somit einen realistischen Blick auf die Gegebenheiten in diesem Land entwickelt.“
Deutsche Unternehmen verstärken Cybersecurity-Aktivitäten in China
Risikomanagement: Rund sechs von zehn deutschen Unternehmen (59 Prozent) in China beklagen eine starke Zunahme von Cyber-Angriffen. Jedes zweite Unternehmen hat aus diesen Erfahrungen die Cybersicherheits-Aktivitäten erhöht. Das Risikomanagement umfasst aber auch zahlreiche weitere Aspekte: Die größte Herausforderung sehen 84 Prozent der Befragten in den unkalkulierbaren geopolitischen Entwicklungen; 77 Prozent halten Standortalternativen in anderen Ländern als Risikovorsorge für unabdingbar. Bisher haben 37 Prozent der Unternehmen konkrete Ausfallstrategien erarbeitet, um sich für Krisenfälle zu wappnen.
Fast sechs von zehn Unternehmen (58 Prozent) geben zudem an, dass steigende Kosten die Vorteile eines China-Engagements reduzieren und knapp die Hälfte sieht den Technologievorsprung deutscher Unternehmen rasant schwinden. „Diese Entwicklung trifft auch die Logistikdienstleister“, kommentiert Ingo Bauer, Transport and Logistics Leader bei PwC Deutschland. „Problemlose Zollabwicklung, Cybersicherheit sowie attraktive Preiskonditionen sind unverändert die ausschlaggebenden Kriterien für die Beauftragung von Logistikdienstleistern in China. Nur wer hier exzellent aufgestellt ist, erarbeitet sich zufriedene Kunden und eine zukunftsfähige Position im Wettbewerb.“
China bleibt wichtig als Absatz-, Beschaffungs- und Produktionsmarkt
„Unsere Umfrage zeigt, dass die deutschen Unternehmen bereits ein De-Risking betreiben und kurzfristig kein konkretes Decoupling auf der Agenda steht. Die Präsenz deutscher Unternehmen in China war bereits vor der Pandemie von vielen Hürden geprägt. Resilienz ist heute wichtiger denn je“, so das Fazit von Thomas Heck.
Hier geht es zur Studie.
Quelle: PwC Deutschland