BCG-Studie: Unterschiedliche Wachstumsperspektiven für Flughäfen
Die Flughäfen werden im nächsten Jahrzehnt ein
sehr unterschiedliches Bild bieten: Während an einigen Standorten mit
überfüllten Wartehallen zu rechnen ist, werden andernorts gerade
eröffnete Terminals verwaist sein. Die Flughafenbetreiber hatten nach
SARS und 9/11 mit einem Wiederanstieg der Passagierzahlen gerechnet
und weiter investiert. Stattdessen steht die Luftfahrtindustrie vor
einem grundlegenden Umbruch. Dies sind die Ergebnisse einer aktuellen
BCG-Studie.
Zwei Faktoren werden die Profitabilität von Flughäfen nachhaltig
beeinträchtigen: Der Flugverkehr wird geringer wachsen als erwartet
und sich vor allem nicht mehr gleichmäßig auf die Flughäfen
verteilen. Gleichzeitig sind die Fluglinien gezwungen, ihren
Kostendruck verstärkt an die Airports weiterzugeben. Die fehlende
Auslastung und die schlechten Kostenstrukturen stellen die
Geschäftsmodelle der Flughäfen, die bisher auf Wachstum ausgerichtet
sind, in Frage. Investitionen rentieren sich nur noch für wenige
internationale Drehkreuze. Zu diesen „Mega-Hubs“ zählen
voraussichtlich nur neun der 200 Großflughäfen weltweit. Viele der
anderen Flughafenstandorte stehen vor Überkapazitäten und müssen sich
entsprechend ihrer Marktposition spezialisieren.
Konzentration auf wenige kontinentale „Drehkreuze“
In den letzten drei Jahren hat der Verdrängungswettbewerb zwischen
Billigfliegern und nationalen Airlines die hohen Gewinnspannen der
Flughäfen von derzeit durchschnittlich 13 Prozent kaum
beeinträchtigt. Fluglinien dagegen erreichten im gleichen Zeitraum
nur knapp zwei Prozent Profitabilität. Mittlerweile überprüfen die
Airlines ihre Routen, aber auch ihre Flughafenkosten, die ein Viertel
des Ticketpreises ausmachen. Zukünftig werden die internationalen
Fluglinien und damit die Airline-Allianzen ihre interkontinentalen
Flugverbindungen auf wenige „Drehkreuze“ pro Kontinent konzentrieren.
In den letzten zwei Jahren konnten die neun wichtigsten Standorte
bereits ihren Anteil am Flugverkehr der 50 größten Flughäfen weltweit
von 30 auf 34 Prozent ausbauen. Neue Großraumflugzeuge wie der A 380
werden diesen Konzentrationstrend beschleunigen.
Das Wachstum der wenigen „Drehkreuze“ – dazu zählen in Europa
voraussichtlich nur London Heathrow, Paris Charles De Gaulle und
Frankfurt Rhein-Main – geht zunächst zu Lasten von Großflughäfen ohne
starke Partner mit Allianzeinbindung. „Diese Großflughäfen gehören zu
den Verlierern der Entwicklung“, sagt BCG-Geschäftsführer Daniel
Stelter. „Sie werden Flugverkehr abgeben und auf Überkapazitäten
sitzen bleiben, die in den letzten Jahren durch große
Investitionsprogramme entstanden sind.“ Bis zum Jahr 2015 sollen
weltweit bis zu 200 Milliarden US-Dollar zusätzlich für Flughäfen
aufgewendet werden.
Flughäfen müssen sich spezialisieren
„Nicht alle Flughäfen, die in Zukunft noch wachsen, werden
automatisch profitabel wachsen“, warnt Stelter. Nach BCG-Analysen
erreichen nur 40 der weltweit 200 Großflughäfen in den nächsten
Jahren eine Marktposition, die langfristig ein Wachstum im bisherigen
Umfang ermöglicht. „Je nach Wettbewerbsposition müssen die Flughäfen
mit unterschiedlichen Konzepten auf die neue Lage reagieren und sich
spezialisieren“, empfiehlt BCG-Geschäftsführer Achim Fechtel.
– Große Investitionsprogramme wie Terminals und neue Runways
rechnen sich nur noch für „Mega-Hubs“. Diese stehen teilweise vor
Kapazitätsengpässen und müssen ihre Aktivitäten ganz auf die
Bedürfnisse von Fluglinien ausrichten, die zu einer der drei
internationalen Airline-Allianzen gehören.
– Bei Großflughäfen, die sich nicht zum kontinentalen „Drehkreuz“
entwickeln, sind Überkapazitäten vorprogrammiert. Diese Standorte
müssen ihre Investitionsprogramme an die neue Marktposition
anpassen.
– Flughäfen mit interessantem Einzugs- oder Zielgebiet verfügen
über Wachstumschancen, wenn sie sich auf bestimmte Segmente wie
beispielsweise den „Ping-Pong-Verkehr“ konzentrieren. Hierbei werden
Flugzeuge zwischen zwei Städten eingesetzt, statt sie längere
Strecken mit mehreren Zwischenlandungen fliegen zu lassen. Durch eine
gute Verkehrsanbindung in Form von Hochgeschwindigkeitszügen können
einzelne Standorte auch ihr Einzugsgebiet vergrößern.
– Für Regionalflughäfen stellt das Geschäft mit Billigfliegern
vielfach die einzige Chance dar, Verkehr anzuziehen, auch wenn die
Rentabilität nicht gewährleistet ist.
„In der Airport-Landschaft sind neue Geschäftsmodelle gefragt“,
erklärt BCG-Geschäftsführer Fechtel. „So verdient der texanische
Flughafen Love Field mit Parkgebühren für Autos fünfmal so viel Geld
wie mit Landegebühren.“ Insbesondere Billigflieger-Flughäfen werden
in Zukunft auf zusätzliche Einnahmequellen angewiesen sein. Um
Wettbewerbsvorteile zu erzielen, müssen Flughäfen und linien stärker
als bisher kooperieren. Synergieeffekte sehen die Autoren der
BCG-Studie beispielsweise in der Zusammenführung von IT-Funktionen
oder der Bündelung von relevanten Kundeninformationen.
Die schwierige Marktlage hat auch Konsequenzen für die deutsche
Flughafenlandschaft. „In Deutschland ist, wenn überhaupt, nur Platz
für einen der voraussichtlich neun Mega-Hubs weltweit“, sagt Fechtel.
Die anderen deutschen Flughäfen werden sich auf europäische
Direktanbindungen sowie das Billigfliegersegment konzentrieren
müssen. Ihre aktuellen Investitionsprogramme basieren aber noch auf
anderen Entwicklungsvorgaben, denn bisher spielten beim Bau und
Ausbau von Flughäfen vielfach regionale und kommunale Überlegungen
eine Rolle. In einigen Ballungsräumen entstanden konkurrierende
Standorte. Die Kosten für die subventionierte Infrastruktur werden
bereits heute an die Fluglinien und damit indirekt an die Verbraucher
weitergegeben. „Wenn deutsche Großflughäfen in Zukunft nur noch als
dezentrale Billigflieger-Standorte Zukunft haben, kommen mit den
Überkapazitäten weitere Kosten auf die Steuerzahler zu“, warnt
Studienautor Stelter. Angesichts der Finanzprobleme von Ländern und
Gemeinden erwartet Stelter weitere Privatisierungen. „Der
Verdrängungswettbewerb unter den Flughäfen erschwert aber die
Transformation vom öffentlichen Infrastrukturanbieter zum
Privatunternehmen.“