Angesichts der aktuellen Pandemie fragen sich viele Unternehmen, inwieweit diese Auswirkungen auf das anwendbare Sozialversicherungsrecht von Grenzgängern hat, die derzeit im Homeoffice arbeiten und somit nicht mehr täglich die Grenze zwischen Wohn- und Arbeitsort überqueren.
Auch stellt sich die Frage, was sie für Mehrfachbeschäftigte in der EU – sogenannte Multi-State-Worker – und für Auslandsentsandte bedeutet.
Die Experten vom BDAE klären die wichtigsten Fragen.
Die gute Nachricht vorweg: Für Grenzgänger zunächst nichts, niemand muss sich Sorgen über etwaige zusätzlich anfallende Sozialversicherungsbeiträge machen. Es ergeben sich keinerlei Änderungen hinsichtlich des anwendbaren Sozialversicherungsrechts. Das hat der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bereits am 17. März 2020 in einem Rundschreiben bekanntgegeben. Er empfiehlt allerdings, einen Antrag auf A1-Bescheinigung nur dann zu stellen, wenn die Behörden des anderen Mitgliedsstaates im Einzelfall einen Nachweis über die Weitergeltung der sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen im Wohnsitzstaat anfordern. Das gilt übrigens auch im umgekehrten Fall für Ausländer, die als Grenzgänger in Deutschland arbeiten. Vermieden werden soll eine Einstufung in mehreren Mitgliedstaaten.
Auch Multi-State Workers, die jetzt zwangsläufig aufgrund von Grenzschließungen nur noch im Heimatland arbeiten, haben grundsätzlich keine Nachteile zu befürchten. Diese Mehrfachbeschäftigten arbeiten für gewöhnlich in zwei oder mehreren EU-Ländern. Bei ihnen hängt die Versicherungszugehörigkeit vom Umfang der Arbeitsleistung im Wohnmitgliedstaat ab. Wird ein wesentlicher Teil der Beschäftigung (mindestens 25 Prozent der Arbeitszeit) im Wohnmitgliedstaat ausgeübt, gelten insgesamt die Rechtsvorschriften dieses Staats. „Arbeiten solche Arbeitnehmer nun ausschließlich im Heimatland oder sogar im Ausland, ändert durch eine Tätigkeit im Homeoffice oder nur in einem Land nichts, sofern sie über einen entsprechenden Nachweis verfügen“, weiß Omer Dotou von der BDAE Consult GmbH.
Laut dem GKV-Rundschreiben sollen sie durch die vorübergehend andere Verteilung der Arbeitszeit keine Nachteile in Bezug auf das Sozialversicherungsrecht haben. Ausgestellte A1-Bescheinigungen bleiben für diese Zeit gültig. Auch hier erübrigt sich aufgrund der fehlenden rechtlichen Relevanz die Information an den Wohnortträger über die vorübergehende Änderung in der Arbeitszeitverteilung.
Eine weitere Sorge vieler Unternehmen betrifft die rechtlichen Folgen einer vorzeitigen Beendigung eines Auslandseinsatzes. Auch die Frage, ob ein Mitarbeiter seine Arbeitsleistungen wieder in Deutschland für die deutsche Gesellschaft erbringt oder dann für die ausländische Gesellschaft im Homeoffice aus Deutschland heraus arbeitet, ist dabei zu berücksichtigen.
Dabei gilt: „Wird eine Entsendung wegen der Corona-Pandemie für kurze Zeit unterbrochen, muss der Arbeitgeber keine Änderungen bezüglich bereits ausgestellter A1-Bescheinigungen vornehmen. Dies gilt allerdings nur für alle Änderungen, die nicht länger als zwei Monate dauern und die das Ende der sozialversicherungsrechtlichen Entsendung nicht nach hinten verschieben“, so Dotou weiter. Eine Ausnahme besteht bei einer Entsendung in einen Staat, mit dem Deutschland ein Sozialversicherungsabkommen geschlossen hat. Diese kann dann ausnahmsweise auch länger als zwei Monate unterbrochen werden.
Wenn sich der Auslandseinsatz jedoch insgesamt nach hinten verschieben sollte, müssen Unternehmen für ihre Mitarbeiter erneut eine Entsendebescheinigung beantragen. „Und wird der Auslandseinsatz vorzeitig beendet beziehungsweise abgebrochen, muss dies dem jeweiligen Sozialversicherungsträger gemeldet werden, der die Bescheinigung ausgestellt hat“, erläutert Rechtsexperte Dotou. Das gilt auch für Arbeitnehmer, für die eine Ausnahmevereinbarung getroffen wurde.
Eine Entsendung gilt als unterbrochen, wenn die Dauer der Unterbrechung mehr als zwei Monate beträgt und sich das Ende der Auslandsbeschäftigung insgesamt nicht nach hinten verschiebt. In Bezug auf einzelne Staaten, mit denen Deutschland durch ein bilaterales Sozialversicherungsabkommen verbunden ist, gilt ein längerer Zeitraum. „Der Arbeitgeber muss eine entsprechende Mitteilung an den zuständigen Sozialversicherungsträger vornehmen und für den Verlängerungszeitraum eine neue Entsendebescheinigung beantragen. Andernfalls bleiben ausgestellte A1-Bescheinigungen und andere „Certificates of Coverage“ gültig“, warnt Sozialversicherungsexperte Dotou.
Wird jedoch die Entsendung vorzeitig abgebrochen, trifft den Arbeitgeber die Pflicht, den Sozialversicherungsträger zu unterrichten. Die Regelungen gelten in Übrigen auch für Ausnahmevereinbarungen.
Quelle: BDAE Consult GmbH
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