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Fahrverbot für Dieselfahrzeuge in Wiesbaden und Darmstadt möglich

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Das Verwaltungsgericht Wiesbaden hat den Anträgen der Deutschen Umwelthilfe (DUH) auf Androhung eines Zwangsgeldes gegen das Land Hessen wegen der Luftqualität in Wiesbaden und Darmstadt durch Beschlüsse stattgegeben. Es hat dem Umweltministerium des Landes Hessen ein Zwangsgeld von 10.000,00 Euro angedroht, wenn es nicht innerhalb von neun Monaten (Wiesbaden) beziehungsweise zwölf Monaten (Darmstadt) die jeweiligen Luftreinhaltepläne so ändert, dass der seit 2010 geltende Grenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) so schnell wie möglich eingehalten wird.
Dazu werden in beiden Städten Fahrverbote für Dieselautos sowie die Einführung einer City-Maut und eines Bürgerticket zu berücksichtigen sein. Das Gericht erwartet Maßnahmen, die gewährleisten, dass eine vollständige Grenzwerteinhaltung so schnell wie möglich, spätestens jedoch in zwei bis maximal drei Jahren gewährleistet ist. Die bisherigen Planungen des Ministeriums sahen dies erst weit nach dem Jahr 2020 vor. Zu verkehrsbeschränkenden Maßnahmen besteht „keine Alternative“, so das Gericht.
„Die erstmalige gerichtliche Androhung eines Zwangsgeldes gegen eine Landesregierung ist eine Ohrfeige für die politisch Verantwortlichen. Wiesbaden und Darmstadt werden nach dieser Entscheidung die ersten konsequenten Fahrverbote für Diesel-Fahrzeuge einführen müssen. Der Betrug der Automobilindustrie, mit vollem Wissen der Bundesregierung rechtswidrig Diesel-Fahrzeuge zu verkaufen, die auf der Straße die Abgasgrenzwerte um ein Mehrfaches überschreiten, rächt sich nun. Mit unseren Klagen auf Einhaltung der geltenden Luftschadstoff-Grenzwerte werden wir kurzfristig Fahrverbote für Diesel-Pkws in über zehn weiteren Städten Deutschlands durchsetzen“, so Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH.
Bereits im Juli 2011 hatte die DUH gemeinsam mit einer betroffenen Anwohnerin beim Verwaltungsgericht Wiesbaden Klage wegen anhaltender Überschreitung der Grenzwerte der 39. Bundes-Immissionsschutzverordnung (BImSchV) eingeleitet. Im Oktober des gleichen Jahres verpflichtete das Gericht das hessische Umweltministerium dazu, den geltenden Luftreinhalteplan fortzuschreiben und darin Maßnahmen zur Verringerung der Belastung mit Stickstoffdioxid zu verankern. Doch auch vier Jahre nach diesem Urteil wird mit den derzeit in Umsetzung befindlichen Maßnahmen eine Einhaltung der Grenzwerte nicht vor dem Jahr 2021 erwartet. Wegen Überschreitung des NO2-Grenzwerts in Darmstadt hatte die DUH im Februar 2012 den Rechtsweg beschritten. Am 5. September 2013 entschied das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, dass der Luftreinhalteplan fortgeschrieben werden müsse.
„Das Gericht leitet einen grundlegenden Wandel in der Verkehrspolitik ein. Und dies nicht nur in Hessen, sondern in ganz Deutschland. Saubere Luft ist ein begrenztes Gut, dies gilt es zu schützen. Schlimm genug, wenn die für eine saubere Luft zuständigen Umweltministerien dies seit Jahren ignorieren. Die Gerichte tun dies nicht. Andere Gerichte werden dem folgen, dies ist sicher“, so Rechtsanwalt Remo Klinger, der die DUH in den Verfahren vertrat.
Das Gericht hat dem Land eine Frist von neun beziehungsweise zwölf Monaten gesetzt, um für beide Städte wirksame Maßnahmen vorzulegen und in den Luftreinhalteplan aufzunehmen. Da die Änderung des Luftreinhalteplans nur mit einer Beteiligung der Öffentlichkeit erfolgen kann, muss das Ministerium unverzüglich handeln, um die Frist einhalten zu können. Das Zwangsgeld von 10.000,00 Euro ist das höchste Zwangsgeld, das das Gesetz gegenüber Behörden vorsieht. Das Gericht verweist darauf, dass die Tatsache, dass das Geld in den allgemeinen Haushalt des Landes Hessen fließen würde und kein gesonderter Justizhaushalt existiert, eklatant rechtsstaatswidrig ist und „nicht die Mindestanforderungen der Europäischen Union an mögliche beitrittswillige Staaten hinsichtlich der hierfür notwendigen rechtsstaatlichen Verhältnisse“ erfüllt. Die NO2-Emissionen, die in Wiesbaden und Darmstadt seit vielen Jahren zu einer anhaltend hohen Belastung führen, stammen zu etwa zwei Drittel aus dem Dieselverkehr. In Deutschland sind nach Aussage der Europäischen Umweltagentur in jedem Jahr rund 10.000 vorzeitige Todesfälle als Folge der hohen NO2-Belastung zu beklagen.
Die Entscheidung des Gerichtes kommt zu einem Zeitpunkt, da das Europäische Parlament über die Zurückweisung eines durch Kommission und Mitgliedstaaten beschlossenen ergänzenden Messverfahrens im Rahmen der Neuzulassung von Pkw der Eurostufe 6 diskutiert. Der vorliegende Beschluss sieht vor, bei den geplanten Messungen im realen Betrieb der Fahrzeuge (RDE) dauerhaft eine Überschreitung des geltenden Grenzwertes von 80g/km Stickoxide (NOx) für Dieselfahrzeuge zuzulassen. Diese faktische Aufweichung des Grenzwertes stößt bei den Parlamentariern auf Widerstand. Ein juristisches Gutachten der Nichtregierungsorganisation Client Earth kommt zu dem Ergebnis, dass diese faktische Aufweichung geltenden Rechts nicht mit den Kompetenzen des sogenannten Komitologieverfahrens in Einklang steht. Die im Entwurf zugebilligte Überschreitung des Grenzwertes würde dafür sorgen, dass auch weiterhin Dieselfahrzeuge massiv zur hohen Belastung insbesondere der Innenstädte mit Stickoxiden beitragen und Grenzwerte vielerorts vor 2030 nicht eingehalten werden.
Die DUH nutzt seit Jahren juristische Mittel, um das EU-weit verbriefte Recht auf saubere Luft durchzusetzen. Zuletzt hatte sie vor wenigen Wochen Klage gegen mehrere für die Luftreinhalteplanung zuständige Bundesländer eingereicht. Betroffen sind die Städte Köln, Bonn, Aachen, Düsseldorf, Essen, Gelsenkirchen, Frankfurt am Main und Stuttgart. Die DUH will die zuständigen Behörden damit verpflichten, ihre Luftreinhaltepläne zu ändern. Ziel muss sein, dass diese alle geeigneten Maßnahmen enthalten, um den seit vielen Jahren geltenden und nach wie vor überschrittenen Grenzwert so schnell wie möglich einzuhalten. Darüber hinaus hatte die DUH Anträge auf Androhung eines Zwangsgeldes nicht nur in Wiesbaden und Darmstadt, sondern auch in München und Reutlingen gestellt. Auch dort liegen rechtskräftige Urteile vor, die nicht umgesetzt werden. Die Zwangsvollstreckungsbeschlüsse für München und Reutlingen werden kurzfristig erwartet.
Unterstützt wird die DUH dabei von der britischen Nichtregierungsorganisation ClientEarth. Deren Anwalt Alan Andrews kommentiert die Entscheidung aus Wiesbaden: „This judgment leaves the car industry with nowhere to hide. They will have to clean up dirty diesel engines or face the wrath of drivers who find themselves banned from city centres. It also puts a marker down for our courts, showing that judges can and must step in to uphold our right to breathe clean air where Governments fail to do so. It should leave authorities in no doubt that all options to cut traffic fumes must be on the table. This is a shot in the arm for our ongoing case against the UK government and for other cases against toxic air pollution across Europe.“
Rechtskräftige Urteile, ebenfalls gegen das Land Hessen, liegen darüber hinaus für die Städte Limburg und Offenbach vor. Auch hier muss das Umweltministerium wirksame Maßnahmen schnellstmöglich auf den Weg bringen. Ansonsten wird die DUH auch in diesen Fällen mit der Zwangsvollstreckung beginnen.